Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 7



Das Verhalten von Maßen bei linearen Abbildungen



Lemma  

Es sei ein reellerendlichdimensionaler Vektorraumund

einebijektivelineare Abbildung. Dann gelten für dasBildmaß des Borel-Lebesgue-Maßes unter folgende Eigenschaften.

  1. isttranslationsinvariant.
  2. Beiist, wobei das von den Bildvektoren erzeugte Parallelotopbezeichnet.

Beweis  

(1). Es sei die Translation um den Vektor. Es sei.Dabei ist

Somit ist für eine beliebigemessbare Mengeaufgrund derTranslationsinvarianzvon


(2) folgt aus (1) mitKorollar 6.13.



Satz  

Es sei

einelineare Abbildung.

Dann gilt für jedemessbare Mengedie Beziehung

Beweis  

Wenn nicht bijektiv ist, so steht links und rechts einfach , wie ausLemma 6.11undSatz 16.11 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))folgt. Wir können also annehmen, dass bijektiv ist. Dann kann man die Aussage mit dem Bildmaß als

formulieren.
Aufgrund vonSatz 12.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))in Verbindung mitLemma 12.8 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))gibt es Elementarmatrizen und eine Diagonalmatrix mit[1] Aufgrunddes Determinantenmultiplikationssatzesund wegenLemma 3.10undAufgabe 7.7genügt es, die Aussage für Diagonalmatrizen und Elementarmatrizen zu beweisen.

WegenLemma 7.1ist also für diese Matrizen zu zeigen, dass das Volumen des von den Bildvektoren der Standardvektoren erzeugten Parallelotopsgleich dem Betrag der Determinante der Matrix ist. Für eine Diagonalmatrix ist das erzeugte Parallelotop der Quader, dessen Seitenlängen die Beträge der Diagonaleinträge sind, so dass das Volumen das Produkt davon ist. NachLemma 16.4 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))ist die Determinante das Produkt der Diagonaleinträge, so dass im Betrag Gleichheit gilt. Damit gilt die Aussage auch für eine elementare Skalierungsmatrix, die ja eine Diagonalmatrix ist.

Da die Determinante der übrigen Elementarmatrizen oder ist, müssen wir zeigen, dass das Volumen des von den Spaltenvektoren einer solchenElementarmatrixerzeugten Parallelotops gleich ist. Dies ist klar für den Typ (1), also für die elementare Vertauschungsmatrix, da es sich um den Einheitswürfel handelt, wobei lediglich die Reihenfolge der erzeugenden Vektoren geändert wird. Es bleibt also eine elementare Scherungsmatrix mit  und zu betrachten. Wegen(Wir notieren nur die zweidimensionale Situation, da sich alles in zwei Zeilen und zwei Spalten abspielt)

und dem schon bewiesenen kann manannehmen. Ferner kann man durch umnummerieren annehmen, dass und ist. Es geht dann um das Volumen des von

erzeugten Parallelotops, also um

Wir betrachten

und

Dann ist

wobei die Durchschnitte dieser drei Mengen jeweils in einer Hyperebeneenthalten sind und daher nach Lemma 6.11das Maß besitzen. Also ist einerseits

Andererseits geht durch verschieben um aus

hervor und besitzt damit wegender Translationsinvarianzdasselbe Volumen wie . Da der Einheitswürfel ist, wobei der Durchschnitt wieder in einer Hyperebene liegt, ist

und somit ist.

Insbesondere kann man das Maßverhältnis bei einer linearen Abbildung mit einer beliebigen Teilmenge mit positivem Maß im Definitionsraum ablesen.



Korollar  

Bei einerStreckung

um denStreckungsfaktorgilt für jedemessbare Teilmenge

die Formel

Beweis  

Dies folgt unmittelbar ausSatz 7.2.



Korollar  

Einelineare Isometrie

istvolumentreu.

Beweis  



Korollar  

Eine Drehung

(die durch eine Drehmatrix gegeben ist)

istflächentreu.

Beweis  



Beispiel  

Ein achsenparalleles Ellipsoid wird im durch

mitbeschrieben. Es ist das Bildder Einheitskugel

unter der linearen Abbildung

also mit,und.NachSatz 7.2ist daher das Volumen dieses Ellipsoids gleich

Das Volumen der Einheitskugel ist , sieheBeispiel 12.4.




Volumina in euklidischen Räumen

Auf jedem reellen -dimensionalen Vektorraum kann man ein sinnvolles Maß definieren, indem man eine Isomorphie

wählt und das Bildmaß zum Borel-Lebesgue-Maß nimmt. Dieses Maß ist allerdings abhängig von der gewählten Isomorphie, bei zwei verschiedenen Isomorphien unterscheiden sich die so gewonnenen Maße um einen skalaren positiven Faktor. Bei euklidischen Räumen kann man aber mit Hilfe von Orthonormalbasen ein kanonisches Borel-Lebesgue-Maß definieren.



Satz  

Es sei eineuklidischer Vektorraum.

Dann gibt es ein eindeutig bestimmtestranslationsinvariantes Maß auf denBorelmengenvon , das jedem von einerOrthonormalbasis aufgespannten Parallelotopden Wert zuweist.

Beweis  

Es sei eineOrthonormalbasisvon und es sei

die dadurch definierte lineare Isometrie.Dann ist das Bildmaß nachLemma 7.1translationsinvariantund besitzt auf dem von den erzeugten Parallelotop den Wert . Es bleibt also zu zeigen, dass dieses Maß auch jedem anderen orthonormalen Parallelotop den Wert zuweist. Es sei also eine weitere Orthonormalbasis mit dem zugehörigen Parallelotop und der zugehörigenIsometrie

Dann ist

wobei den Einheitswürfel im bezeichnet. Da eine Isometrie des ist, folgt die Aussage ausKorollar 7.4.

Das in dieser Aussage für euklidische Vektorräume definierte Maß heißt ebenfalls Borel-Lebesgue-Maß.



Satz  

Es sei eineuklidischer Vektorraum, sei eineBasisvon und sei das davon erzeugte Parallelotop.

Dann gilt für dasBorel-Lebesgue-Maß auf

Beweis  

Die Positivität der DeterminantederGramschen Matrixfolgt ausSatz 48.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).Es sei eineOrthonormalbasisvon und es sei

Die Spalten der Matrixsind also die Koeffizienten von bezüglich der gegebenen Orthonormalbasis. NachSatz 7.2und aufgrund der Definition des Maßes inSatz 7.7ist somit

Wegen

ist

NachSatz 17.5 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))ist,so dass sich die Aussage ausSatz 17.4 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))ergibt.

Die vorstehende Aussage erlaubt es, auch beidas -dimensionale Maß eines -dimensionalen Parallelotops im auszurechnen(ihr -dimensionales Maß ist , da sie in einem echten Untervektorraum liegen).Die einfachste Situation liegt beivor, dann handelt es sich um eine einfache Längenberechnung mit Hilfe des Skalarproduktes. Ein typischeres Beispiel ist die Flächenberechnung eines Parallelogramms im .


Beispiel  

Wir betrachten das von den Vektoren und aufgespannte Parallelogrammim . NachSatz 7.8müssen wir die Skalarprodukte dieser Vektoren berechnen. Es ist

Dies führt zur Matrix

mit der Determinante . Der Flächeninhalt des Parallelogramms ist also .




Fußnoten
  1. Da hier alle Matrizen invertierbar sind, genügen allein die links stehenden Elementarmatrizen ohne die Skalierungsmatrizen.


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