Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 17
- Kompaktheit
Bisher haben wir den Kompaktheitsbegriff nur für abgeschlossene und beschränkte Teilmengen verwendet.
Teilmengen eines euklidischen Raumes,die sowohl abgeschlossenals auch beschränktsind, nennt man kompakt. Auf topologischen Räumen,die nicht durch eine Metrik gegeben sind, kann man nicht von beschränkt sprechen, aber auch bei einem metrischen Raum, der keine Teilmenge eines ist, führen die beiden Eigenschaften abgeschlossen und beschränkt nicht sehr weit. Jeder metrische Raum ist in sich selbst abgeschlossen und jede Metrik kann man so abändern, dass sie beschränkt wird, ohne dass die Topologie sich ändert. Schlagkräftiger ist das folgende rein topologische Konzept.
Definition
Eintopologischer Raum heißt kompakt(oder überdeckungskompakt),wenn es zu jeder offenen Überdeckung
eine endliche Teilmengederart gibt, dass
ist.
Diese Eigenschaft nennt man manchmal auch überdeckungskompakt. Häufig nimmt man zu kompakt noch die Eigenschaft Hausdorffsch mit hinzu. Es sei betont, dass diese Eigenschaft nicht besagt, dass es eine endliche Überdeckung aus offenen Mengen gibt(es gibt immer die triviale offene Überdeckung mit dem Gesamtraum),sondern dass man, wenn irgendeine irgendwie indizierte offene Überdeckung vorliegt, dann nur eine endliche Teilmenge aus der Indexmenge für die Überdeckung nötig ist.
Lemma
Es sei einHausdorffraumund es seieine Teilmenge, die dieinduzierte Topologietrage. Es sei kompakt.
Dann ist abgeschlossen in .
Beweis
Lemma
Es sei einkompakter Raumund es sei eine abgeschlossene Teilmenge,die dieinduzierte Topologietrage.
Dann ist ebenfalls kompakt.
Beweis
Eine Variante des Kompaktheitsbegriffes ist die sogenannte Folgenkomapktheit, die besagt, dass jede Folge eine konvergente Teilfolge besitzt. NachAufgabe 2.9ist dies im Fall einer abzählbaren Basis(es genügt eine abzählbare Umgebungsbasis für jeden Punkt)äquivalent dazu, dass jede Folge einen Häufungspunkt besitzt. Wir werden hier hauptsächlich Situationen besprechen, in denen überdeckungskompakt und folgenkompakt übereinstimmen.
Lemma
Es sei eintopologischer Raummit einerabzählbaren Basis.
Dann ist genau dannkompakt,wenn jede Folge in einen Häufungspunkt(in )besitzt.
Beweis
Es sei kompakt und sei eine Folge gegeben. Nehmen wir an, dass diese Folge keinen Häufungspunkt besitzt. Das bedeutet, dass es zu jedemeine offene Umgebunggibt, in der es nur endlich viele Folgenglieder gibt. Wegen
gibt es nach Voraussetzung eine endliche Teilüberdeckung
Es sei die Folgeneigenschaft erfüllt und seieine Überdeckung mit offenen Mengen. Da eineabzählbare Basisbesitzt, gibt es nachAufgabe 2.8eine abzählbare Teilmenge mit
Wir könnenannehmen. Nehmen wir an, dass die Überdeckungkeine endliche Teilüberdeckung besitzt. Dann ist insbesondere für jedesund daher gibt es zu jedem ein mit .Nach Voraussetzung besitzt diese Folge einen Häufungspunkt . Da eine Überdeckungvorliegt, gibt es ein mit. Da ein Häufungspunkt ist, liegen unendlich viele Folgenglieder in . Dies ist ein Widerspruch, da nach Konstruktion für die Folgenglieder nicht zu gehören.
Der folgende Satz heißt Satz von Heine-Borel.
Satz
Es seieine Teilmenge Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- istüberdeckungskompakt.
- JedeFolge in besitzt einenHäufungspunktin .
- JedeFolge in besitzt eine in konvergente Teilfolge.
- istabgeschlossenundbeschränkt.
Beweis
Die Äquivalenz von (1) und (2) wurde allgemeiner inLemma 17.4bewiesen, für die Existenz einer abzählbaren Basis sieheAufgabe 2.23.
Die Äquivalenz von (2) und (3) ist klar.
Die Äquivalenz von (3) und (4) wurde inSatz 36.9 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))gezeigt.
- Stetige Abbildungen auf kompakten Räumen
Lemma
Es seien und topologische Räumeund es sei
einestetige Abbildung. Es sei kompakt.
Dann ist das Bildebenfalls kompakt ist.
Beweis
Die folgende Aussage ist eine wesentliche Verallgemeinerung vonSatz 13.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))und vonSatz 36.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).
Satz
Es sei ein nichtleererkompaktertopologischer Raumund sei
einestetige Funktion.
Dann gibt es ein mit
D.h., dass die Funktion ihr Maximum(und ihr Minimum)annimmt.
Beweis
Aufgrund vonLemma 17.6ist kompakt, also nachSatz 17.5abgeschlossenundbeschränkt.Insbesondere istfür eine reelle Zahl . Wegen besitzt wegenSatz 7.5 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))ein Supremum in , das wegen der Abgeschlossenheit nach Korollar 33.18 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))zu gehört, also das Maximum von ist. Daher gibt es auch ein mit.
Bemerkung
Es sei ein kompaktertopologischer Raum.Aufgrund vonLemma 17.7ist jede stetige Funktion
beschränkt, und damit stimmt der Vektorraum aller stetigen Funktionen mit dem Vektorraum aller stetigen und beschränkten Funktionen überein. Beigibt es auf stets die Supremumsnorm,die im kompakten Fall wieder wegenLemma 17.7zur Maximumsnorm wird, da das Supremum angenommen wird.
Die folgende Aussage heißt Satz von Dini.
Satz
Es sei ein kompaktertopologischer Raum.Es sei eine Folge in , diepunktweiseundmonotongegen einkonvergiert.
Dann ist die Konvergenz gleichmäßig.
Beweis
Die Funktionenfolge sei wachsend und es seivorgegeben. Wir betrachten die offenen Mengen
Wegen der Monotonie ist
und daher ist .Wegen der punktweisen Konvergenz ist
Aufgrund der Kompaktheit gibt es ein mit
was die Behauptung bedeutet.
- Kompakte metrische Räume
Lemma
Beweis
Es sei eine Cauchy-Folgein . Nehmen wir an, dass diese Folge nicht konvergiert. NachAufgabe 36.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))besitzt sie dann auch keinen Häufungspunkt. Das bedeutet, dass es zu jedem Punkteine offene Umgebungderart gibt, dass es darin nur endlich viele Folgenglieder gibt. Aufgrund der Kompaktheit gibt es zur Überdeckung
eine endliche Teilüberdeckung, also
Dann wären ab einem alle Folgenglieder außerhalb dieser Menge, was absurd ist.
Definition
Einmetrischer Raum heißttotal beschränkt, wenn es zu jedemendlich viele Punktederart gibt, dass
gilt.
Satz
Es sei einmetrischer Raum. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.
- istkompakt.
- ist folgenkompakt.
- istvollständigundtotal beschränkt.
Beweis
Die Folgenkompaktheit ist äquivalent dazu, dass jede Folge einen Häufungspunkt besitzt. Von (1) nach (2) ergibt sich wie im Beweis zuLemma 17.4.Aus (2) folgt (1) mitLemma 17.4wegenAufgabe 17.20.Es sei (2) erfüllt. Es sei eine Cauchy-Folgein . Nach Voraussetzung besitzt sie eine konvergente Teilfolge. Daraus folgt aber schon, dass die Folge konvergiert. Der Raum ist also vollständig. Wenn nicht total beschränkt ist, so gibt es einderart, dass von den offenen Bällen keine endliche Auswahl ganz überdeckt. Wir können daher eine Folge konstruieren mit der Eigenschaft, dass zu.der Abstand
ist. Eine solche Folge besitzt keine konvergente Teilfolge.
Es sei nun (3) erfüllt und wir wollen auf (2) schließen. Es sei eine Folge in . Wir definieren induktiv unendliche Teilmengenin folgender Weise: Es sei schon konstruiert. Es sei eine offene Überdeckung von , die es aufgrund der totalen Beschränktheit gibt. Dann gibt es eine unendliche Teilmengederart, dass die , ,in einem der Bälle liegen. Wir wählen eine Teilfolge mitund aufsteigend. Dann ist fürstets
Es liegt also eine Cauchy-Folge vor, die wegen der Vollständigkeit konvergiert.
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