Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 15
Zu einem Maßraum gibt es den Vektorraum der auf definierten messbaren -wertigen Funktionen und darin den Untervektorraum der integrierbaren Funktionen. Wenn ein topologischer oder ein metrischer Raum ist, so gibt es den Raum der stetigen Funktionen auf , die bezüglich derBorel-Mengenauch messbar sind, aber ohne weiteres nicht integrierbar sind. In den folgenden Vorlesungen werden wir versuchen zu verstehen, wie diese Funktionsklassen zusammenhängen und insbesondere, welche Approximationseigenschaften gelten. Um präzise von Approximation sprechen zu können, werden wir die angesprochenen Funktionenräume mit Normen bzw. Metriken versehen. Da messbare Funktionen, die außerhalb einer Nullmenge die Nullfunktion sind, zwar nicht selbst die Nullfunktion sind, aber doch für viele Fragen so behandelt werden können, ist es wichtig, auch die Konzepte Halbmetrik und Halbnorm zur Verfügung zu haben.
Beispiel
Zu einer Menge kann man den reellen Vektorraum aller Funktionenbetrachten. Ein wichtiger Konvergenzbegriff ist diepunktweise Konvergenz.Wenn man den Untervektorraum der beschränkten reellwertigen Funktionen betrachtet, so kann man diesen Untervektorraum mit der Supremumsnorm versehen, die durch
definiert ist. Die Konvergenz einer Funktionenfolge bezüglich der Supremumsnorm bedeutet dann diegleichmäßige Konvergenzder Funktionenfolge, sieheAufgabe 55.13 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).Diese Konvergenz ist stärker als die punktweise Konvergenz.
Die konstanten Funktionen und die Funktionen mit nur endlich vielen Werten
(bzw. dieeinfachen Funktionenim Falle eines Messraumes)bilden besonders einfache Untervektorräume des Funktionenraumes zu . Wenn eintopologischer Raumist, so kann man die Untervektorräume der stetigen Funktionen oder der stetigen beschränkten Funktionen betrachten. Wenn einMaßraumist, so kann man den Untervektorraum der messbaren oder den Untervektorraum der integrierbaren Funktionen betrachten. In all diesen Situationen kann man Approximamtionseigenschaften und Konvergenzfragen untersuchen. Resultate in diese Richtung sindLemma 8.11,Satz 10.3,Satz 10.9.
Beispiel
Es sei ein-endlicherMaßraumund der Vektorraum der integrierbaren Funktionenauf . Dann ist es naheliegend, durch eine „Norm“ auf diesem Raum zu definieren. Allerdings ist dies keineNormim Sinne der Definition, da das Integral einer nichtnegativen Funktion gleich sein kann, ohne dass die Funktion selbst die Nullfunktion ist.
- Halbmetriken
Definition
Es sei eine Menge. Eine Abbildungheißt Halbmetrik, wenn für alledie folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- Für ist.
- (Symmetrie),und
- (Dreiecksungleichung).
Wegen
gilt dabei stets,diese Semipositivität muss man also nicht eigens fordern.
Lemma
Es sei eine Menge, die mit einer Halbmetrikversehen sei.
Dann ist eintopologischer Raum.
Beweis
Lemma
Es sei eine Menge, die mit einer Halbmetrik versehen sei. Dann gelten folgende Aussagen.
- Durch,falls,ist eineÄquivalenzrelationauf gegeben.
- Die Halbmetrik induziert eineMetrikauf derQuotientenmenge.
- Die Quotientenabbildungiststetig.
- Die offenen Mengenvon sind genau die Urbilderderoffenen Mengendes metrischen Raumes .
Beweis
- Die Symmetrie und die Reflexivität sind direkt klar. Beiund,also,folgt aus der Dreiecksabschätzungsofort,also.
- Wir müssen zeigen, dass durch
eine wohldefinierte Metrik definiert ist. Seienund,alsound.Dann ist nach der Dreiecksabschätzung
und ebenso,also,was die Wohldefiniertheit von bedeutet. Die Symmetrie, die Semipositivität und die Dreiecksabschätzung von übertragen sich direkt auf . Aus folgt direkt,alsound damit.
- Seioffenund sei das Urbild davon. Seiein Punkt. Nach Voraussetzung gibt es einmitin . Daraus folgt direkt,da das Urbild von ist.
- Dies ergibt sich, da äquivalente Punkte in die gleichen offenen Ballumgebungen besitzen.
Die Stetigkeit einer Abbildung zwischen Räumen, die mit Halbmetriken versehen sind, kann man wie im metrischen Fall durch ein -Kriterium ausdrücken, sieheAufgabe 15.4undAufgabe 15.5.
- Vektorräume mit Halbnormen
Definition
Es sei ein-Vektorraum.EineAbbildung
heißtHalbnorm,wenn die folgenden Eigenschaften für alle gelten.
- Es istfür alle.
- Es ist.
- Für undgilt
- Fürgilt
Definition
Auf einem-Vektorraum mit einer Halbnorm definiert man diezugehörige Halbmetrik durch
Definition
Ein-Vektorraum heißt topologischer Vektorraum, wenn auf ihm eineTopologiederart festgelegt ist, dass sowohl die Addition
als auch die Skalarmultiplikation
stetigsind.
Lemma
Zu einem-Vektorraum mit einerHalbnorm ist diezugehörige Halbmetrik
in der Tat eineHalbmetrik.
Ein mit einer Halbnorm versehener -Vektorraum ist eintopologischer Vektorraum.
Beweis
- Es ist.
- Es ist
- Für beliebiges ist nach der Definition einer Halbnorm
Zum Nachweis der Stetigkeit der Addition seifixiert undvorgegeben. Es sei
hierbei ist die Produktmenge links eine offene Umgebung von . Hier gilt
Zum Nachweis der Stetigkeit der Skalarmultiplikation seifixiert undvorgegeben, das wir als annehmen. Es seiund
Es sei.Dann ist
Lemma
Es sei ein-Vektorraummit einerHalbnorm. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Menge der Vektoren ist einUntervektorraum von .
- Die Halbnorm induziert auf dem Restklassenraum eineNorm.
Beweis
- Folgt direkt aus der Verträglichkeit der Halbnorm mit der Skalarmultiplikation und aus der Dreiecksabschätzung.
- Fürist
und ebenso
also ist
Die Halbnorm induziert also eine wohldefinierte Abbildung auf dem Restklassenraum . Dabei bleiben alle Eigenschaften einer Halbnorm erhalten. Ferner giltgenau dann, wennist, alsoin . Daher liegt eine Norm vor.
Die folgende Aussage charakterisiert stetige lineare Abbildungen zwischen normierten Vektorräumen, man könnte sie auch für lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen formulieren, die mit einer Halbnorm versehen sind. Für endlichdimensionale Vektorräume (entscheidend ist der Ausgangsraum)liegt nachSatz 34.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))oder allgemeinerSatz 52.17 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))stets Stetigkeit vor, die Aussage ist also für unendlichdimensionale Vektorräume relevant.
Satz
Es seien und normierte-Vektorräumeund
eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Eigenschaft äquivalent.
- iststetig.
- iststetigim Nullpunkt.
- Die Menge
istbeschränkt.
Beweis
Von (1) nach (2) ist klar. Von (2) nach (3). Es gibt insbesondere füreinderart, dass aus
die Abschätzung
folgt. Aus
folgt dann wegen der skalaren Verträglichkeit
Von (3) nach (1). Es sei eine obere Schranke für die Norm der Werte auf der Einssphäre. Sei gegeben. Es ist
Zukann man also
wählen.
- Separable Räume
Lemma
Ein metrischer Raum
besitzt genau dann eine abzählbare Basisder Topologie, wenn er eine abzählbare dichte Teilmengebesitzt.
Beweis
Definition
Einnormierter-Vektorraumheißt separabel, wenn seine Topologie eineabzählbare Basisbesitzt.
Lemma
Für einennormierten-Vektorraum sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist separabel.
- besitzt eine abzählbare dichte Teilmenge.
- besitzt einen dichten Untervektorraummit abzählbarerDimension.
Beweis
Die Äquivalenz von (1) und (2) ergibt sich ausLemma 15.13.Wenn (2) erfüllt ist, so besitzt natürlich der durch eine abzählbare dichte Punktmenge erzeugte Untervektorraum eine abzählbare Basisund ist dicht. Es sei (3) erfüllt mit
und dicht. Wir nehmenan und behaupten, dass der -Vektorraum,der nachLemma 10.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))abzählbar ist, eine dichte Teilmenge von ist. Es sei dazueine offene Umgebung eines Punktes. Es gibt dann ein Element
mitendlich mit Elementen und.Es sei eine obere Schranke für, .Wenn man in die reellen Koeffizienten durch rationale Koeffizienten mit
ersetzt, so erhält man das Element innerhalb von . Es ist ja
Wenn ein dichter Untervektorraum mit abzählbarer Dimension vorliegt, so gibt es davon eine Basis der Form . In vielen Beispielen, insbesondere, wenn ein separabler Hilbertraum vorliegt, lässt sich eine solche „dichte Basis“ des Gesamtraumes explizit angeben, siehe beispielsweiseSatz 23.6,Satz 24.2undSatz 24.8.
Definition
Ein normierter-Vektorraum,der mit derzugehörigen Metrikeinvollständigermetrischer Raumist, heißtBanachraum.
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