Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 14



Die Transformationsformel für Integrale



Korollar  

Es seien und offene Mengenim und es sei

ein-Diffeomorphismus mit der Jacobi-Determinantefür. Es seieinkompakterachsenparalleler Quader.

Dann gilt

Beweis  

Da stetig differenzierbarist, ist die Abbildung

stetigund daher nachSatz 36.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))gleichmäßig stetigauf dem kompaktenQuader . D.h. zu jedem gibt es einmit für alle. Dann gibt es auch einderart, dass für alle kompakten Teilquader mit maximaler Kantenlänge das Bild in einem abgeschlossenen Intervall der Länge liegt. Damit ist die Differenz zwischen dem Minimum und dem Maximum von maximal gleich .

Sei gegeben. Wir unterteilen in kompakte Teilquader, indem wir jede Quaderkante in gleichlange Teile unterteilen, und wählen dabei so groß, dass die entstehenden Teilquader die oben beschriebene Eigenschaft haben. Es sei eine Indexmenge zu dieser Unterteilung, es ist also und damit. Diese beiden Vereinigungen sind nicht disjunkt, jedoch sind die Schnittmengen der Quader nachLemma 6.11und die Schnittmengen der als Bilder von Quaderseiten nachKorollar 13.6 Nullmengen.Wir wendenLemma 13.7auf die Teilquader an und erhalten

Dabei ist die Differenz zwischen links und rechts durch

beschränkt, kann also durch beliebig klein gemacht werden. Die gleichen Abschätzungen gelten wegen der Monotonie des Integrals auch für das Integral, so dass

gilt.



Satz  

Es seien und offene Mengenim und es sei

ein -Diffeomorphismusmit der Jacobi-Determinantefür. Es sei einemessbare Menge.

Dann ist ebenfallsmessbarund es gilt

Beweis  

EinDiffeomorphismusund seine Umkehrabbildungsind stetig,daher liegt eine Bijektion der messbaren Teilmengenvon und von vor.Wir betrachten die beiden Zuordnungen

also dasMaßauf mit der Dichte, und

also dasBildmaßvon unter der Umkehrabbildung , und müssen zeigen, dass diese beiden Maße gleich sind.
NachKorollar 14.1gilt die Gleichheit für alle kompakten achsenparallelen Quader. Aufgrund vonAufgabe 9.3bzw.Korollar 13.6gilt die Gleichheit auch für alle offenen bzw. „nach oben halboffenen“ achsenparallelen Quader, also Produkte von nach oben halboffenen Intervallen.Die Menge der endlichen disjunkten Vereinigungen von diesen zuletzt genannten Quadern bilden einen Mengen-Präring im . Diese Menge ist auch ein durchschnittsstabiles Erzeugendensystemfür das System derBorelmengen.Daher müssen nachSatz 3.7die beiden Maße generell übereinstimmen.


Wir kommen zur Transformationsformel für Integrale.


Satz  

Es seien und offene Mengenim und es sei

ein-Diffeomorphismusmit der Jacobi-Determinante

für.Es sei

einemessbare Funktion.

Dann ist auf genau dannintegrierbar,wenn die Hintereinanderschaltung auf integrierbar ist. In diesem Fall gilt

Beweis  

Die Zuordnung für messbare Mengenist einMaßauf und zwar handelt es sich um das Bildmaß von unter der Umkehrabbildung

NachSatz 14.2besitzt dieses Maß dieDichte. Daher gilt nachAufgabe 13.20und derallgemeinen Transformationsformel




Beispiele zur Transformationsformel

Wenn bei einem Diffeomorphismus der Betrag der Jacobi-Determinante überall ist, so ist er maßtreu. Es ist einfach, maßtreue, nichtlineare Abbildungen zu konstruieren.


Beispiel  

Es sei ein beliebiges Polynom in der einen Variablen . Dann ist die Abbildung

ein flächentreuer Diffeomorphismus. Die Jacobi-Matrixvon ist ja

so dass die Jacobi-Determinantekonstant gleich ist. Wenn man die Rollen von und vertauscht und die Hintereinanderschaltung von solchen Abbildungen betrachtet, so erhält man flächentreue Abbildungen, denen man es nicht auf den ersten Blick ansieht. Beispielsweise ist zuunddie Hintereinanderschaltung




Korollar  

Es sei

diePolarkoordinatenauswertungund es seien und offene Mengen,auf denen einen Diffeomorphismusinduziert. Es sei

eine integrierbare Funktion.

Dann ist

Dies gilt auch dann, wenn außerhalb von Nullmengen ein Diffeomorphismus vorliegt. Insbesondere gilt bei stetigem die Formel

Beweis  

Dies folgt wegen

direkt ausSatz 14.3.



Lemma  

Es ist

Beweis  

Durch eine einfacheSubstitutionist die Aussage äquivalent zu

Nennen wir dieses Integral . NachKorollar 13.2 ist

Durch Einführung von Polarkoordinaten und ist dieses Integral nachKorollar 14.5und nach einer erneuten Anwendung von Korollar 13.2gleich

Damit ist auch.



Beispiel  

Es soll eine Straße in der Ebene der Breite asphaltiert werden. Dabei wird die Straße durch den Verlauf des Mittelstreifen vorgegeben, der durch die Kurve

bestimmt ist. Dabei sei zweimal stetig differenzierbarundbogenparametrisiert,d.h. es sei,was bedeutet, dass die Mittelstreifenkurve mit normierter Geschwindigkeit durchlaufen wird. Die Breite ist dabei senkrecht zum Mittelstreifen zu messen. Die zu asphaltierende Trasse wird dann durch die Abbildung

parametrisiert. Wir nehmen an, dass diese Parametrisierung injektiv ist, was erfüllt ist, wenn die Mittelstreifenabbildung injektiv ist und die Straße nicht zu breit werden soll.

Die Jacobi-Matrix der Parametrisierung ist

Die Determinante davon ist

Daher ist die Asphaltfläche nachder Transformationsformelgleich

Wenn wir weiter annehmen, dass

ist(was bedeutet, dass die Straßenbreite nicht allzu groß ist),so ist dieses Integral nachKorollar 13.2geich

Dies bedeutet, dass die Asphaltfläche gleich der Mittelstreifenlänge mal der Straßenbreite ist.



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