Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 13



Folgerungen aus dem Satz von Fubini

Beispiel  

Wir wollen das IntegralderFunktion

über dem Rechteckmit dem Satz von Fubiniausrechnen. Dies führt auf




Korollar  

Es seien und -endliche Maßräume und es seien und integrierbare Funktionen.

Dann ist auch die Funktion

integrierbar und es gilt

Beweis  

Wir nehmen zuerst und als nichtnegativ an. Dann gilt nachSatz 12.10

Für beliebige integrierbare Funktionen folgt daraus, angewendet auf die Betragsfunktionen, zunächst die Integrierbarkeit des Produkts und daraus mit derselben Rechnung die Formel.




Dichten

Die bisher bewiesenen Eigenschaften des Integrals erlauben es, ausgehend von einem Maß und einer integrierbaren Funktion neue Maße zu definieren.


Definition  

Es sei ein Maßraum und es sei

eine nichtnegativemessbare Funktion.Dann nennt man das für jede messbare Teilmengedurch

definierte Maß auf das Maß zur Dichte . Es wird mit bezeichnet.

Bemerkung  

Die Vorstellung, die hinter einer Dichte liegt und zu dem Namen geführt hat, ist die physikalische Dichte eines Körpers. Zu einem Körper im Raum berechnet das Borel-Lebesgue-Maß das Volumen. Wenn man aber an der Masse dieses Körpers interessiert ist, so reicht die Kenntnis des Volumens nicht aus, es sei denn, der Körper ist homogen und besitzt überall eine konstante Dichte. In diesem Fall ist die Masse proportional zum Volumen. Bei einem nicht homogenen Körper hingegen muss man wissen, wie sich die Masse auf dem Körper verteilt. Eine solche Massenverteilung wird durch eine Dichtefunktion beschrieben, die jedem Punkt des Körpers die „infinitesimale Dichte“ in diesem Punkt zuordnet. Die Gesamtmasse ergibt sich dann durch Integration dieser Dichte bezüglich des Volumenmaßes.




Nullmengen unter differenzierbaren Abbildungen

Wir beginnen nun mit den Vorbereitungen zum Beweis der Transformationsformel.



Lemma  

Es sei offenund sei

eineLipschitz-stetige Abbildung. Es seieineNullmenge.

Dann ist auch eine Nullmenge.

Beweis  

Es gelte

mit einer Lipschitz-Konstanten.Zunächst ist für jeden Würfel

mit der Kantenlänge das Bild in einem Ball mit einem Radius enthalten. Daher gibt es ein(von unabhängiges) mit

für alle Würfel. Diese Abschätzung gilt dann auch für alle Quader, da diese beliebig nahe durch Vereinigungen von Würfeln approximiert werden können.

Da einemessbareNullmengeist, gibt es aufgrund der Konstruktion des Borel-Lebesgue-Maßesüber dasäußere Maßzu jedemeine abzählbare Überpflasterung

mit Quadern und mit

Daher giltund somit

Da man beliebig klein wählen kann, muss eineNullmengesein.



Korollar  

Es sei offen und sei

einestetig differenzierbare Abbildung. Es sei eineNullmenge.

Dann ist auch eine Nullmenge.

Beweis  

Nach(einem Spezialfall von)Lemma 55.4 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))ist lokal Lipschitz-stetig.Die Nullmenge kann man abzählbar überdecken mit offenen Mengen, worauf Lipschitz-stetig ist. Die Aussage folgt dann ausLemma 13.5.




Die Transformationsformel für Quader



Lemma  

Es seien und offene Mengenim und es sei

ein-Diffeomorphismus mit der Jacobi-Determinante

für. Es seieinkompakterachsenparalleler Quader.

Dann gelten die Abschätzungen

Beweis  

Wir setzen. Wir beweisen zuerst die Abschätzung nach oben. Wir schreiben mit einem und wir müssenzeigen.
  Wir konstruieren induktiv eine Folge von abgeschlossenen achsenparallelen Teilquadern, , mit der Eigenschaft

 Es sei

. Für den Induktionsschluss von auf betrachten wir sämtliche Teilquader von mit halbierter Kantenlänge. Würden diese Teilquader alle die Ungleichungerfüllen, so ergebe sich durch Aufsummieren sofort ein Widerspruch zur Induktionsvoraussetzung(wegenKorollar 13.6sind die Ränder der Quader unerheblich).Es gibt also mindestens einen Quadermit.
Diese Quaderschachtelung definiert in jeder Komponente eineIntervallschachtelungund damit nachSatz 7.3 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))einen Punkt.Wegen der Translationsinvarianz des Borel-Lebesgue-Maßes können wir und annehmen. Es sei dastotale Differential.
Da in differenzierbarist, gilt

mit einer in stetigen Abbildung, die dort denLimes besitzt. Die lineare Approximation

bildet jeden Quader auf ein Parallelotopab, das nachSatz 7.2das Maßbesitzt. Wir wollen mit für einen geeigneten Quader vergleichen. Da ein Diffeomorphismus vorliegt, ist ein Isomorphismus und daher gibt es ein mitfür alle . Somit gibt es wegen der Stetigkeit von zu jedem ein mit

für alle mit . Es sei, ,ein Quader. Fürist

D.h. dass in dem Parallelotop liegt, das ausdurch Streckung mit dem Streckungsfaktor entsteht. Damit gilt


 Wir nehmen an, dassgilt. Dann kann man auch ein mitfinden. Wir nehmen ein derart, dass die oben beschriebene Eigenschaft bezüglich diesem besitzt. Für hinreichend groß kann man dann die obige Überlegung auf die Quader anwenden und erhält

 im Widerspruch zur Konstruktion dieser Quaderfolge.Wir zeigen zunächst, dass die Abschätzung nach oben nicht nur für Quader, sondern für beliebige

kompakte Mengen gilt. Zu jedemgibt es eineabzählbare Überpflasterung mit achsenparallelen Quadern, ,von mit

Durch Beschränkung der Kantenlängen der kann man weiter erreichen, dass alle in einer größeren ebenfalls kompakten Mengeliegen. Wegen dergleichmäßigen Stetigkeitvon auf , die aufSatz 36.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))beruht, kann man zu gegebenem die so wählen, dass gilt. Damit ergibt sich

Da und beliebig klein gewählt werden können, gilt diese Abschätzung auch ohne und .
Wir wenden nun die Abschätzung nach oben auf die Umkehrabbildung undan. Als Bild einer kompakten Menge ist nachSatz 36.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))wieder kompakt. Dabei giltaufgrund des Determinantenmultiplikationssatzesdie Beziehung

mit. Dies ergibt

Daraus ergibt sich




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