Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 11



Parameterabhängige Integrale

Wie diskutieren nun, wie Integrale von einem Parameter abhängen, der sich in einem metrischen Raum bewegt. Dazu muss man in erster Linie das Verhalten bezüglich einer Folge verstehen, so dass man die Ergebnisse der letzten Vorlesung anwenden kann. Der folgende Stetigkeitssatz ist eine weitreichende Verallgemeinerung vonSatz 58.2 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).

Es sei ein Maßraum, ein metrischer Raum und

eine Funktion. Dann gibt es einerseits zu jedem

die Funktion

die man auf Stetigkeit untersuchen kann, und andererseits für jeden„Parameter“ die Funktion

und dazu(im Falle der Integrierbarkeit)das Integral. Wir interessieren uns für die Abhängigkeit von diesem Integral vom Parameter. Um deutlich zu machen, dass über

(nicht über)integriert wird, schreiben wir manchmal oder , wobei die Variable zu bezeichnet.



Satz  

Es sei ein-endlicherMaßraum, einmetrischer Raum,und

eineFunktion,

die die folgenden Eigenschaften erfülle.
  1. Für alle ist die Funktion messbar.
  2. Für alle ist die Funktion stetigin .
  3. Es gibt einenichtnegative messbare integrierbare Funktion

    mit

    für alle und alle.

Dann ist die Funktion

wohldefiniert und stetig in .

Beweis  

Die Integrierbarkeit der einzelnen Funktionen folgt ausLemma 9.5.Wir müssen die Stetigkeit der Funktion in zeigen. Wir wendendas Folgenkriterium für die Stetigkeitan, sei also eine Folge in , die gegen konvergiert. Wir setzen.Aufgrund der zweiten Voraussetzung konvergiertdie Folge für jedesgegen . Daherkonvergiertdie Funktionenfolge punktweise gegen . Wegen der dritten Bedingung kann man den Satz von der majorisierten Konvergenzanwenden und erhält



Satz  

Es sei ein-endlicherMaßraum, ein nichtleeresoffenes Intervallund

eineFunktion,

die die folgenden Eigenschaften erfülle.
  1. Für alle ist die Funktion integrierbar.
  2. Für alle ist die Funktion (stetig)differenzierbar.
  3. Es gibt einenichtnegativemessbare integrierbare Funktion

    mit

    für alle und alle.

Dann ist die Funktion

(stetig)differenzierbarin , die Zuordnung istintegrierbarund es gilt die Formel

Beweis  

DerDifferenzenquotientfür in einem Punkt und ist

Wir müssen für jede Folge in mit,die gegen konvergiert,zeigen, dass die zugehörige Folge der Differenzenquotienten konvergiert. Nachdem Mittelwertsatz der Differentialrechnunggibt es(für jedes und jedes )einmit

Da integrierbar ist, ist auch für jedes der Differenzenquotient als Funktion in nachLemma 9.5integrierbar. Dann ist unter Verwendungder Linearität des Integralsunddes Satzes von der majorisierten Konvergenz

Die stetige Differenzierbarkeit folgt aus Satz 11.1.



Korollar  

Es sei ein-endlicherMaßraum,offenund

eineFunktion,

die die folgenden Eigenschaften erfülle.
  1. Für jedes ist die Funktion

    integrierbar.

  2. Für jedes ist die Funktion

    stetig differenzierbar.

  3. Es gibt einenichtnegativeintegrierbare Funktion

    mit

    für alle, alle und alle.

Dann ist die Funktion

stetig differenzierbarund es gilt für jedesdie Formel

Beweis  

Dies folgt ausSatz 11.2,indem man zuunddie lineare Kurve

vorschaltet und betrachtet.



Das Cavalieri-Prinzip


Es seien und -endliche Maßräume und eine messbare Teilmenge. Für jeden Punkt ist

Wir erinnern anLemma 4.10,nachdem diese Mengen messbar sind. In welcher Beziehung steht zur Funktion

Bei und wenn der Subgraph zu einer nichtnegativen messbaren Funktion ist, so ist und nach der Definition des Integralsgilt

Der Satz von Cavalieri besagt, dass die Gleichheit zwischen links und rechts für beliebige messbare Teilmengen gilt. Um diesen Satz überhaupt formulieren zu können, müssen wir zunächst sicherstellen, dass die Funktion messbar ist.


Lemma  

Es seien und -endliche Maßräume und sei einemessbare Teilmenge.

Dann sind die Funktionen

und

messbar.

Beweis  

Wir zeigen die Messbarkeit der ersten Funktion . Dabei reduzieren wir zuerst auf die Situation in der das Maß auf endlichist. Nach Voraussetzung gibt es eine abzählbaremessbareAusschöpfung mit.Wir setzen.Dann ist und damit auch für jedes.Wenn wir für jedes die Messbarkeit von gezeigt haben, so folgt sie wegenLemma 8.4auch für . Wir können also annehmen, dassist.

Wir wollen zeigen, dass für jedesdie Funktion messbar ist.  Wie setzen

und müssen zeigen, dass dies die gesamte Produkt--Algebra ist. Zunächst gehören die messbaren Quader zu . Es ist ja

und damit ist

messbar. Wir zeigen, dass einDynkin-Systemist. Es ist. SeienTeilmengen, die zu gehören. Dann istund ist nachLemma 8.3messbar. Für eine disjunkte abzählbare Vereinigung ist.Wenn für alleist, so ist die Funktion nachKorollar 8.8wieder messbar.
Damit ist insgesamt ein Dynkin-System, das das durchschnittsstabile Erzeugendensystem aller Quader für die-Algebra enthält. Deshalb istnachLemma 1.13.


Wir werden im Folgenden die Notation verwenden, die betont, dass die Funktion vonabhängt. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es um einen Produktraum geht und Verwechslungen möglich sind.



Satz  

Es seien und -endliche Maßräume.

Dann gilt für alle messbaren Teilmengen die Beziehung

Beweis  

Wir zeigen zuerst, dass die Zuordnung

einMaßauf der Produkt--Algebraist. Es sei dazueineabzählbare Zerlegunginpaarweise disjunktemessbare Teilmengen.NachAufgabe 10.10ist

so dass die-Additivitäterfüllt ist.
Für einen Quader ist


Aufgrund des Eindeutigkeitssatzes für das Produktmaßmuss daher das durch das Integral definierte Maß mit dem Produktmaß übereinstimmen.


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