Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 7
- Restklassenringe
NachSatz 6.7ist der Kerneines Ringhomomorphismusein Ideal.Man kann umgekehrt zu jedem Idealin einem(kommutativen)Ring einen Ring konstruieren, und zwar zusammen mit einem surjektiven Ringhomomorphismus
dessen Kern gerade das vorgegebene Ideal ist. Ideale und Kerne von Ringhomomorphismen sind also im Wesentlichen äquivalente Objekte, so wie das bei Gruppen für Kerne von Gruppenhomomorphismen und Normalteilern gilt. In der Tat gelten die entsprechenden Homomorphiesätze hier wieder, und können weitgehend auf die Gruppensituation zurückgeführt werden. Wir werden uns bei den Beweisen also kurz fassen können.
Definition
Es sei einkommutativer RingundeinIdealin . Zu heißt die Teilmenge
die Nebenklasse von zum Ideal . Jede Teilmenge von dieser Form heißt Nebenklasse zu .
Diese Nebenklassen sind gerade die Nebenklassenzur Untergruppe,die wegen der Kommutativität ein Normalteilerist. Zwei Elemente definieren genau dann die gleiche Nebenklasse, also,wenn ihre Differenz zum Ideal gehört. Man sagt dann auch, dass und dieselbe Nebenklasse repräsentieren.
Definition
Es sei einkommutativer RingundeinIdealin . Dann ist der Restklassenring (sprich „R modulo I“)ein kommutativer Ring, der durch folgende Daten festgelegt ist.
- Als Menge ist die Menge der Nebenklassen zu .
- Durch
wird eine Addition von Nebenklassen definiert.
- Durch
wird eine Multiplikation von Nebenklassen definiert.
- definiert das neutrale Element für die Addition(die Nullklasse).
- definiert das neutrale Element für die Multiplikation(die Einsklasse).
Man muss dabei zeigen, dass diese Abbildungen(also Addition und Multiplikation)wohldefiniert sind, d.h. unabhängig vom Repräsentanten, und dass die Ringaxiome erfüllt sind. Da insbesondere eine Untergruppe der kommutativen Gruppe ist, liegt ein Normalteiler vor, so dass eine Gruppe ist und die Restklassenabbildung
ein Gruppenhomomorphismus ist. Das einzig Neue gegenüber der Gruppensituation ist also die Anwesenheit einer Multiplikation. Die Wohldefiniertheit der Multiplikation ergibt sich so: Seien zwei Restklassen gegeben mit unterschiedlichen Repräsentanten, also und .Dann ist und bzw. und mit . Daraus ergibt sich
Die drei hinteren Summanden gehören zum Ideal, so dass die Differenz ist.
Aus der Wohldefiniertheit folgen die anderen Eigenschaften und insbesondere, dass ein Ringhomomorphismus in den Restklassenring vorliegt. Diesen nennt man wieder die Restklassenabbildung oder den Restklassenhomomorphismus. Das Bild von in wird häufig mit , oder einfach mit selbst bezeichnet und heißt die Restklasse von . Bei dieser Abbildung gehen genau die Elemente aus dem Ideal auf , d.h. der Kern dieser Restklassenabbildung ist das vorgegebene Ideal.
Das einfachste Beispiel für diesen Prozess ist die Abbildung, die einer ganzen Zahl den Rest bei Division durch eine fixierte Zahl zuordnet. Jeder Rest wird dann repräsentiert durch eine der Zahlen . Im Allgemeinen gibt es nicht immer ein solch übersichtliches Repräsentantensystem.
- Die Homomorphiesätze für Ringe
Für Ringe, ihre Ideale und Ringhomomorphismen gelten die analogen Homomorphiesätze wie für Gruppen, ihre Normalteiler und Gruppenhomomorphismen, siehe die fünfte Vorlesung. Wir beschränken uns auf kommutative Ringe.
Satz
Es seien und kommutative Ringe,es seieinRinghomomorphismusundein surjektiver Ringhomomorphismus. Es sei vorausgesetzt, dass
ist.
Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus
derart, dassist.
Mit anderen Worten: das Diagramm
ist kommutativ.
Beweis
Aufgrund vonSatz 5.10gibt es einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus
der die Eigenschaften erfüllt. Es ist also lediglich noch zu zeigen, dass auch die Multiplikation respektiert. Es seien dazu, und diese seien repräsentiert durch bzw. aus . Dann wird durch repräsentiert und daher ist
Ferner ist
Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung heißt wieder induzierte Abbildung oder induzierter Homomorphismus und entsprechend heißt der Satz auch Satz vom induzierten Homomorphismus.
Korollar
Es seien und kommutative Ringeund es sei
ein surjektiver Ringhomomorphismus.
Dann gibt es eine kanonischeIsomorphie von Ringen
Beweis
Aufgrund vonKorollar 5.11liegt ein natürlicher Gruppenisomorphismus vor, der wegenSatz 7.3auch die Multiplikation respektiert, also ein Ringhomomorphismus ist.
Satz
Es seien und kommutative Ringeund es sei
ein Ringhomomorphismus.
Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung
wobei diekanonische Projektion, einRingisomorphismusund die kanonische Inklusion desBildesist.
Beweis
Es gilt also wieder:
- Bild Urbild modulo Kern.
- Restklassenringe von Hauptidealbereichen
Da wir nun die Restklassenbildung für kommutative Ringe zur Verfügung haben, kehren wir zu Hauptidealbereichen, insbesondere zu Polynomringen über einem Körper zurück.
Satz
Es sei einHauptidealbereichundein Element. Dann sind folgende Bedingungen äquivalent.
- ist ein Primelement.
- ist ein Integritätsbereich.
- ist ein Körper.
Beweis
Die Äquivalenz (1) (2) gilt in jedem kommutativen Ring(auch für),sieheAufgabe 7.1,und (3) impliziert natürlich (2). Es sei also (1) erfüllt und seivon verschieden. Wir bezeichnen einen Repräsentanten davon in ebenfalls mit . Es ist dannund es ergibt sich eine echte Idealinklusion.Ferner können wirschreiben, da wir in einem Hauptidealring sind. Es folgt.Da keine Einheitist und prim(also nachLemma 3.10auch irreduzibel)ist, muss eine Einheit sein. Es ist also,und das bedeutet modulo , also in , dass eine Einheit ist. Also ist ein Körper.
Korollar
Es sei einKörper und, , ein Polynom.
Dann ist genau dannirreduzibel, wenn der Restklassenring einKörper ist.
Beweis
Jedes irreduzible Polynom definiert also eine(endliche)Körpererweiterung,und dies wird unsere Hauptkonstruktionsweise für endliche Körpererweiterungen sein.
Für die ganzen Zahlen hat man das entsprechende Resultat.
Korollar
Es sei eine natürliche Zahl und der zugehörigeRestklassenring. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist einKörper.
- ist einIntegritätsbereich.
- ist eine Primzahl.
Beweis
- Rechnen in
Körper werden häufig ausgehend von einem schon bekannten Körper als Restklassenkörper des Polynomrings konstruiert. Die Arithmetik in einem solchen Erweiterungskörper wird in der folgenden Aussage beschrieben.
Proposition
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es seiein Polynom vom Grad undder zugehörige Restklassenring. Dann gelten folgende Rechenregeln(wir bezeichnen die Restklasse von in mit ).
- Man kann stets als normiert annehmen(also ; das werden wir im Folgenden tun).
- In ist.
- Höhere Potenzen, ,kann man mit den Potenzen, ,ausdrücken, indem man mittels Vielfachen von (2) sukzessive den Grad um eins reduziert.
- Die Potenzen bilden eine -Basis von .
- ist ein -Vektorraum der Dimension .
- In werden zwei Elemente und komponentenweise addiert, und multipliziert, indem sie als Polynome multipliziert werden und dann die Restklasse berechnet wird.
Beweis
- Es ist,da es bei einem Hauptideal nicht auf eine Einheit ankommt.
- Dies folgt direkt durch Umstellung der definierenden Gleichung.
- Dies folgt durch Multiplikation der Gleichung in (2) mit Potenzen von .
- Dass die Potenzen, ,ein Erzeugendensystem bildet, folgt aus Teil (2) und (3). Zum Beweis der linearen Unabhängigkeit sei angenommen, es gebe eine lineare Abhängigkeit, sagen wir.D.h., dass das Polynomunter der Restklassenabbildung auf geht, also zum Kern gehört. Dann muss es aber ein Vielfaches von sein, was aber aus Gradgründen erzwingt, dass das Nullpolynom sein muss. Also sind alle.
- Dies folgt direkt aus (4).
- Dies ist klar.
Beispiel
Wir betrachten den Restklassenring
und bezeichnen die Restklasse von mit . Aufgrund vonProposition 7.9besitzt jedes Element aus eine eindeutige Darstellungmit , so dass also ein dreidimensionaler -Vektorraum vorliegt. Da in zu gemacht wird, gilt
Daraus ergeben sich die Gleichungen
etc. Man kann hierbei auf verschiedene Arten zu dem eindeutig bestimmten kanonischen Repräsentanten reduzieren.
Berechnen wir nun das Produkt
Dabei wird distributiv ausmultipliziert und anschließend werden die Potenzen reduziert. Es ist
- Restklassendarstellung von Unteralgebren
Satz
SeieineKörpererweiterungund sei einalgebraischesElement. Es sei dasMinimalpolynomvon .
Dann gibt es eine kanonische-Algebraisomorphie
Beweis
Die Einsetzung ergibt nachSatz 6.4den kanonischen -Algebrahomomorphismus
Das Bild davon ist genau , so dass ein surjektiver -Algebrahomomorphismus
vorliegt. Daher gibt es nachKorollar 7.4eineIsomorphiezwischen und demRestklassenringvon modulo dem Kern der Abbildung. Der Kern ist aber nachLemma 6.12das vom Minimalpolynom erzeugte Hauptideal.
Lemma
SeieineKörpererweiterungund sei einalgebraischesElement. Dann gelten folgende Aussagen.
- DasMinimalpolynom von über istirreduzibel.
- Wenn ein normiertes, irreduzibles Polynom mitist, so handelt es sich um das Minimalpolynom.
Beweis
- Es seieine Faktorzerlegung des Minimalpolynoms. Dann gilt in die Beziehung
Da ein Körper ist, muss ein Faktor sein, sagen wir.Da aber unter allen Polynomen , die annullieren, den minimalen Grad besitzt, müssen und den gleichen Grad besitzen und folglich muss konstant(),also eineEinheitsein.
- Wegenist aufgrund vonLemma 6.12ein Vielfaches des Minimalpolynoms , sagen wir.Da nach Voraussetzung irreduzibel ist, und da zumindest den Grad besitzt, muss konstant sein. Da schließlichsowohl als auch normiert sind, ist.
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