Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 21

In den nächsten drei Vorlesungen möchten wir auflösbare Körpererweiterungen galoistheoretisch charakterisieren und insbesondere zeigen, dass nicht jede Körpererweiterung auflösbar ist, also sich nicht jedes Polynom durch (sukzessive)Radikale(auf)lösen lässt. In dieser Vorlesung bereiten wir dazu das gruppentheoretische Fundament.



Auflösbare Gruppen

Definition  

Eine Gruppe heißt auflösbar, wenn es eine Filtrierung

derart gibt, dass einNormalteilerin ist und dieRestklassengruppe abelschist(für jedes ).

Die in dieser Definition auftretende Filtrierung nennt man auch eine auflösende Filtrierung. Eine kommutative Gruppe ist natürlich auflösbar, wie die triviale Filtrierungzeigt. Die Permutationsgruppe ist auflösbar, wie die Untergruppe mit der Restklassengruppe zeigt.



Lemma  

Es sei eineauflösbare Gruppe.

Dann ist auch jedeUntergruppeauflösbar.

Beweis  

Wir gehen von einer auflösenden Filtrierung

aus, d.h., dass die Normalteilerin und die Restklassengruppen kommutativ sind. Die Untergruppebesitzt durcheine induzierte Filtrierung. Dabei liegt das kommutative Diagramm

vor. Wir betrachten den Homomorphismus

DerKernvon ist offenbar . Daher ist nachLemma 5.6ein Normalteiler in , und der Quotient ist nachSatz 5.12eine Untergruppe von und damit kommutativ. Also bilden die eine auflösende Filtrierung von .



Lemma  

Es sei eineGruppe,einNormalteilerund die zugehörigeRestklassengruppe.

Dann ist genau dann auflösbar,wenn dies für und gilt.

Beweis  

Es sei zunächst auflösbar.NachLemma 21.2istauflösbar.
Betrachten wir also die Restklassengruppeund fixieren wir eineauflösende Filtrierung

Es sei

der Restklassenhomomorphismus. Wir setzen,dies ist eine Filtrierung von mit Untergruppen. Wir betrachten das kommutative Diagramm

wobei die vertikalen Homomorphismen surjektiv sind. Wir behaupten, dass ein Normalteiler in ist, und ziehen dazuLemma 5.4heran. Es sei also und , die wir durch bzw. repräsentieren. Dann istund wegen der Normalität von in ist und somit . Wir betrachten die zusammengesetztesurjektive Abbildung

Da zumKerndieser Abbildung gehört, gibt es aufgrund vonSatz 5.10eine surjektive Abbildung

weshalb ebenfalls kommutativ ist.

Es seien nun und auflösbar, seider Restklassenhomomorphismus und seien

und

auflösende Filtrierungen. Wir ergänzen die Filtrierung von durch die Urbilderzu einer Filtrierung von . Die surjektive Abbildung

besitzt den Kern und zeigt, dass ein Normalteiler in mit kommutativer Restklassengruppe ist.


Die Definition einer auflösbaren Gruppe legt nicht nahe, wie man eine solche Filtrierung finden könnte. Ein systematischer Weg, eine solche Filtrierung zu finden, falls es denn eine gibt, wird durch iterierte Kommutatorgruppen gegeben. Ein Kommutator ist ein Element der Form .


Definition  

Zu einer Gruppe heißt die von allenKommutatoren, ,erzeugte Untergruppedie Kommutatorgruppe von . Sie wird mit bezeichnet.



Lemma  

Es sei eineGruppeund ihreKommutatorgruppe. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist einNormalteilerin .
  2. DieRestklassengruppe istabelsch.
  3. Die Gruppe ist genau dann abelsch, wenn trivial ist.

Beweis  

(1). Es ist zu zeigen, dass für jedes der Automorphismus

die Untergruppe in sich selbst überführt. Für einen Kommutator ist

wieder ein Kommutator. Daher wird auch jedes Produkt von Kommutatoren auf ein Produkt von Kommutatoren abgebildet und somit ist.
(2). In der Restklassengruppe ist


(3). Eine Gruppe ist genau dann abelsch, wenn sämtliche Kommutatoren trivial sind.



Definition  

Es sei eineGruppe.Die -te iterierte Kommutatoruntergruppe wird induktiv durch

definiert.

Die erste Kommutatorgruppe ist einfach die Kommutatorgruppe, die zweite Kommutatorgruppe ist die Kommutatorgruppe der Kommutatorgruppe, u.s.w. Dies ergibt insgesamt eine absteigende Filtrierung

Diese Filtrierung kann unendlich absteigend sein oder aber stationär werden, d.h. es kanngelten. Die Auflösbarkeit einer Gruppe kann mit dieser Filtrierung folgendermaßen charakterisiert werden.


Lemma  

EineGruppe ist genau dannauflösbar,

wenn es ein derart gibt, dass die -te iterierte Kommutatorgruppe trivial wird.

Beweis  

Wenn die Filtrierung der iterierten Kommutatorgruppentrivial wird, sagen wir

so liegt unmittelbar eine auflösende Filtrierungvor, da ja

nachLemma 21.5einNormalteilerist mit einerabelschenRestklassengruppe.
Es sei nun auflösbar.Wir zeigen durch Induktion über die Anzahl der beteiligten Untergruppen in einer auflösenden Filtrierung von , dass die Filtrierung der iterierten Kommutatorgruppen trivial wird. Dabei sind die Fälleklar. Wir betrachten die Untergruppein der Filtrierung. Da die Restklassengruppe kommutativ ist, wird die Kommutatorgruppe unter der Restklassenabbildung auf abgebildet und daher ist.Dabei besitzt natürlich eine auflösende Filtrierung mit Untergruppen, und der Beweis zuLemma 21.2zeigt, dass dies auch für die Untergruppe gilt. Nach Induktionsvoraussetzung wird also die Filtrierung von durch die iterierten Kommutatorgruppen trivial.



Lemma

Für

sind die Permutationsgruppen auflösbar.

Beweis

SieheAufgabe 21.9.



Lemma  

Für

sind die Permutationsgruppen nichtauflösbar.

Beweis  

Wir betrachten eine Filtrierung

derart, dass dieNormalteilersind mit kommutativenRestklassengruppen.Wir werden zeigen, dass jedes sämtliche Dreierzykel(also Permutationen, bei denen drei Elemente zyklisch vertauscht werden, und alle übrigen festgelassen werden),enthält. Daher kann diese Filtrierung nicht bei der trivialen Gruppe enden, also ist.Die Aussage über die Dreierzykel beweisen wir durchabsteigende Induktion, wobei der Fallklar ist. Es sei also vorausgesetzt, dass alle Dreierzykel enthält. Es sei ein Dreierzyklus(mit verschiedenen Elementen .)Wegengibt es noch zwei weitere Elemente , die von und untereinander verschieden sind. Nach Induktionsvoraussetzung gehören die Dreierzykel

zu . Eine elementare Überlegung zeigt

Dieses Element wird unter der Restklassenabbildung

auf das neutrale Element abgebildet, da ja die Restklassengruppe kommutativ ist. Also ist .


<< | Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)