Kurs:Einführung in die mathematische Logik (Osnabrück 2014)/Vorlesung 15
- Auffüllungsstrategien
Die weitere Strategie zum Beweis des Vollständigkeitssatzes ist nun, eine widerspruchsfreie Ausdrucksmenge zu einer maximal widerspruchsfreien Ausducksmenge, die Beispiele enthält, aufzufüllen, und so ein erfüllendes Modell zu bekommen. Dabei betrachten wir zunächst das Problem, Beispiele hinzuzunehmen. Es sei eine widerspruchsfreie Ausdrucksmenge über dem Alphabet . Zu jedem Ausdruck müssen wir einen Ausdruck der Form mit einem gewissen Term hinzunehmen. Das Problem ist hierbei, dass bei ungeeigneter Wahl von die Hinzunahme dieses Ausdrucks widersprüchlich machen könnte. Es gibt keine Garantie, dass es überhaupt einen -Term gibt, mit dem man widerspruchsfrei erweitern kann. Von daher wählt man eine andere Strategie, indem man simultan das Symbolalphabet erweitert und den hinzuzunehmenden Existenzausdruck mit einem neuen „unbelasteten“ Term ansetzt.
Lemma
Es sei eine widerspruchsfreieMenge an-Ausdrücken(über einem Symbolalphabet).
Es sei ein weiteres Variablensymbol, das nicht zu gehört, und sei ein -Ausdruck. Dann ergibt die Hinzunahme von zu eine ebenfalls widerspruchsfreie Ausdrucksmenge(über dem Symbolalphabet).
Beweis
Nehmen wir an, dass widersprüchlich ist. Dann kann man aus jeden Ausdruck ableiten. Es gilt also
und damit
für jeden Ausdruck . Es gilt also insbesondere
und
Wir nehmen nun zusätzlich an, dass in nicht vorkommt. Da überhaupt nicht in den anderen Ausdrücken vorkommt, können wir mittelsAxiom 11.1(genauer wegen der inAufgabe *****besprochenen Variante)auf
schließen. Damit ergibt sich mit der Fallunterscheidungsregel
Lemma
Es sei eine widerspruchsfreieMenge an-Ausdrücken(über einem Symbolalphabet).
Dann gibt es eine Symbolerweiterung und eine widerspruchsfreie -Ausdrucksmenge derart, dass es zu jedem Ausdruckeinen Term (über )derart gibt, dass
gilt.
Beweis
Die Menge definieren wir alsdisjunkte Vereinigung
wobei eine Variablenmenge ist, die für jeden Ausdruck der Formgenau eine(neue)Variable enthält, die wir mit bezeichnen. Wir setzen
Daher istund enthält -Beispiele. Es bleibt also die Widerspruchsfreiheit zu zeigen. Wäre widerspruchsvoll, so wäre auch eine endliche Teilmenge davon widerspruchsvoll und insbesondere würde es Ausdrückederart geben, dass
widersprüchlich ist(dabei können die gleich oder verschieden sein).Da bei jeder Hinzunahme eine neue Variable verwendet wird, können wir induktivLemma 15.1anwenden und erhalten die Widersprüchlichkeit von .
Lemma
Es sei eine widerspruchsfreieMenge an-Ausdrücken(über einem Symbolalphabet).
Dann gibt es eine aufsteigende Folge von Symbolmengen
und eine Folge von aufsteigenden-Ausdrucksmengen
derart, dass zum Symbolalphabetdie -Ausdrucksmenge
widerspruchsfrei ist und Beispiele enthält.
Beweis
Wir konstruieren die Folgen und sukzessive mit der inLemma 15.2beschriebenen Methode durch
und
Wäre widersprüchlich, so würde sich schon aus einer endlichen Teilmenge ein Widerspruch ergeben. Dann wäre schon eines der widersprüchlich im Widerspruch zuLemma 15.2.
Wir wenden uns nun dem Problem zu, wie man eine widerspruchsfreie Ausdrucksmenge zu einer maximal widerspruchsfreien Menge ergänzen kann. Wie im entsprechenden Beweis der Aussagenlogik verwenden wir das Lemma von Zorn, wobei wir im abzählbaren Fall noch eine Beweisvariante angeben, die ohne das Lemma von Zorn auskommt.
Lemma
Es sei eine widerspruchsfreieMenge an-Ausdrücken(über einem Symbolalphabet).
Dann gibt es eine maximal widerspruchsfreie -Menge mit.
Beweis
Wie betrachten die Menge
aller widerspruchsfreien -Ausdrucksmengen oberhalb von . Es ist .Es seieine nichtleere total geordnete Teilmenge. Die Vereinigungist ebenfalls eine -Ausdrucksmenge, die umfasst. Sie ist auch widerspruchsfrei. Würde nämlich gelten, so könnte man schon aus einer endlichen Teilmengeeinen Widerspruch ableiten. Die Elemente aus liegen jeweils in je einem,und da diese eine Kette bilden, gibt es auch ein mit,also wäre widersprüchlich. Somit sind die Voraussetzungen im Lemma von Zornerfüllt und daher gibt es eine maximale Menge in . Diese ist offenbarmaximal widerspruchsfrei.
Wir besprechen eine Variante der vorstehenden Auffüllung für den Fall eines abzählbaren Symbolalphabets, die das Lemma von Zorn vermeidet und im Wesentlichen konstruktiv ist. Man beachte, dass die oben durchgeführte Aufnahme von Beispielen bei einem abzählbaren Ausgangsalphabet wieder abzählbare Symbolalphabete liefert und dies auch bei der abzählbaren Wiederholung dieses Prozesses wie inLemma 15.3der Fall ist.
Lemma
Es sei eine widerspruchsfreieMenge an-Ausdrückenüber einem abzählbarenSymbolalphabet.
Dann gibt es eine maximal widerspruchsfreie -Menge mit,die man durch sukzessive Hinzunahme von einzelnen Ausdrücken erhalten kann.
Beweis
Da abzählbar ist, ist auch abzählbar. Es sei, , eine Abzählung sämtlicher Ausdrücke aus . Wir definieren induktiv eine aufsteigende Folge von Ausdrucksmengen durchund
Wir setzen
Diese Menge ist widerspruchsfrei, da andernfalls schon eines der widersprüchlich wäre, was aufgrund der induktiven Definition nicht der Fall ist. Um zu zeigen, dass maximal widerspruchsfrei ist, sei.Da in der Abzählung der Ausdrücke vorkommt, istfür ein gewisses . Im -ten Konstruktionsschritt wurde nicht hinzugenommen, sonst wäre.Also ist widersprüchlich und damit ist auch widersprüchlich.
Die vorstehende Variante sieht auf den ersten Blick konstruktiver aus, als sie ist. Das Problem ist die Entscheidung, ob widerspruchsfrei ist. Dafür gibt es(anders als bei der Aussagenlogik)kein algorithmisches Verfahren.
- Der Vollständigkeitssatz
Die folgende Aussage ist der Vollständigkeitssatz.
Satz
Es sei einSymbolalphabet, eine Menge an-Ausdrückenund ein weiterer -Ausdruck.
Dann gilt genau dann, wenn gilt.
Beweis
Die Richtung von rechts nach links ist derKorrektheitssatz.Es sei umgekehrt . Um zu zeigen, dass auch gilt, müssen wir ein Modell angeben, das erfüllt, aber nicht . Die Nichtableitbarkeit bedeutet, dass widerspruchsfreiist, und wir müssen zeigen, dass erfüllbarist. NachLemma 15.3gibt es eine widerspruchsfreie Erweiterung des Symbolalphabets und eine Erweiterung von , die Beispiele enthält.NachLemma 15.4gibt es eine maximal widerspruchsfreie-Ausdrucksmenge.Diese enthält mit ebenfalls Beispiele. Nach demSatz von Henkingibt es eine-Interpretation,die erfüllt. Diese Interpretation erfüllt erst recht .
Für Tautologien ergibt sich der folgende Spezialfall.
Korollar
Es sei einSymbolalphabetundein -Ausdruck.
Dann ist genau dann eine ableitbare Tautologie,wenn allgemeingültigist.
Beweis
Dies folgt ausSatz 15.6mit
Das folgende Korollar, der sogenannte Endlichkeitssatz, demonstriert, dass der Vollständigkeitssatz keineswegs selbstverständlich ist. Es sei eine Folgerungsbeziehung bewiesen, also gezeigt, dass jede Interpretation, die erfüllt, auch erfüllen muss. Dabei sei unendlich, man denke etwa an ein unendliches Axiomenschema, wie es im Induktionsschema der erststufigen Peano-Arithmetik vorliegt. Ist es vorstellbar, dass in einem Beweis irgendwie auf all diese unendlich vielen Voraussetzungen Bezug genommen wird?
Korollar
Es sei einSymbolalphabet, eine Menge an-Ausdrücken und ein weiterer -Ausdruck.
Dann gilt genau dann, wenn es eine endliche Teilmengegibt mit .
Beweis
Korollar
Es sei einSymbolalphabetund eine Menge an-Ausdrücken. Es sei jede endliche Teilmengeerfüllbar.
Dann ist erfüllbar.
Beweis
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