Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 27



Einheitswurzeln in Zahlbereichen

Eine Einheitswurzel in einem kommutativen Ring ist das gleiche wie eine Torsionseinheit, also ein Elementmitfür ein.Die Menge aller Einheitswurzeln bilden eine Untergruppe der Einheitengruppe . Wir bezeichnen sie mit . Ebenso bildet die Menge aller -ten Einheitswurzeln eine Untergruppe, die wir mit bezeichnen. Da eine -te Einheitswurzel eine Nullstelle des Polynoms ist, gibt es über einem Körper und damit auch über einem Integritätsbereich nachKorollar 19.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018))maximal Nullstellen. Für einen Integritätsbereich ist also eine endliche Gruppe mit höchstens Elementen. NachSatz 9.5 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))handelt es sich um eine zyklische Gruppe. Wenn sie die Ordnung besitzt, so nennt man einen Erzeuger eine primitive Einheitswurzel. Für die abstrakte multiplikative geschrieben zyklische Gruppe mit Elementen schreiben wir und die Eigenschaft, dass ein Körper -te Einheitswurzeln besitzt schreiben wir kurz als.



Lemma  

Es sei einnormaler IntegritätsbereichmitQuotientenkörper.

Dann ist.

Beweis  

Die Inklusionist klar. Sei,sagen wir.Da die Ganzheitsgleichung

erfüllt, folgt aus der Normalität direkt, dassgehört.


Diese Beobachtung kann man für Zahlbereiche anwenden. Wir werden im Folgenden die Aussagen für die Zahlbereiche formulieren, wobei die Argumente teilweise über die Quotientenkörper, also über endliche Erweiterungen von , gehen, teilweise über den Zahlbereich selbst. Ohne die Voraussetzung normal ist die Aussage nicht richtig, wie das folgende Beispiel zeigt.


Beispiel  

Wir betrachten den Ring

Der Quotientenkörper von ist , ist nicht normal.In gibt es nur die Einheitswurzeln und ,im Quotientenkörper gibt es dagegen die Einheitswurzeln .




Lemma  

Es sei einZahlbereich, für den es zumindest eine reelle Einbettung gebe.

Dann ist die Gruppe der Einheitswurzeln gleich .

Beweis  

Dies folgt direkt aus einer Inklusion,da es in nur die beiden Einheitswurzeln und gibt und da Einheitswurzeln unter einem Ringhomomorphismusauf Einheitswurzeln abgebildet werden.


In den komplexen Zahlen gibt es alle Einheitswurzeln. Die Kreisteilungskörper und Kreisteilungsringe zeigen, dass man Einheitswurzeln in endlichen Erweiterungen von bzw. realisieren lassen. Die folgenden Aussagen zeigen, dass die Kreisteilungskörper im Wesentlichen durch ihre enthaltenen Einheitswurzeln bestimmt sind.


Lemma  

Es sei einKörperderCharakteristik und sei.

Dann enthält genau dann eine primitive-teEinheitswurzel,wenn für den -ten Kreisteilungskörper gilt.

Beweis  

Die eine Richtung ist klar. Für die Rückrichtung seieine primitive -te Einheitswurzel. Dies definiert einenEinsetzungshomomorphismus

Somit gibt es nachLemma 19.9 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))einen induzierten Ringhomomorphismus

mit einem Teiler von . Doch dann gibt es auch einen Ringhomomorphismus

Beiist dies ein Widerspruch zur Ordnung von . Also istund es gibt einen Ringhomomorphismus



Lemma  

DieEinheitswurzelgruppedes -ten Kreisteilungskörpers ist

bei gerade und

bei ungerade.

Beweis  

Nach Konstruktion der Kreisteilungskörper ist klar, dass die -ten Einheitswurzeln enthält. Wenn ungerade und eine primitive -te Einheitswurzel ist, so ist eine primitive -te Einheitswurzel und somit sind die Inklusionen klar. Es ist also noch zu zeigen, dass die Kreisteilungskörper keine weiteren Einheitswurzeln enthält. Dazu können wir annehmen, dass gerade ist. Es sei eine zusätzliche Einheitswurzel der Ordnung . Wir können annehmen, dass gerade und ein echtes Vielfaches von ist, da die von und einer primitiven -ten Einheitswurzel erzeugte Untergruppe wieder endlich und zyklisch und ihre Ordnungein Vielfaches der beiden Ordnungen sein muss. AusfolgtnachLemma 27.4.Es istundmitund.Da ein Exponent echt größer ist, ergibt sich ein Widerspruch zuSatz 17.10.



Lemma  

Es sei einZahlbereich.

Dann ist endlich und zyklisch.

Beweis  

Wir argumentieren in der endlichen Erweiterung,die den Grad habe. Wir behaupten zunächst, dass die Ordnungenin beschränkt ist. Nehmen wir an, dass dies nicht der Fall ist, und sei, ,eine streng wachsende (und damit unbeschränkte)Folge von natürlichen Zahlen, die als Ordnungen von Elementen aus vorkommen. Dann gilt nachLemma 27.4für dieKreisteilungskörper

Für der Grad gilt dann unter Verwendung vonSatz 17.10

Wenn in den Primfaktorzerlegungen der Folgenglieder unendlich viele Primzahlen vorkommen, so ist

Wenn hingegen in den Primfaktorzerlegungen nur endlich viele Primzahlen vorkommen, so gibt es darin eine Teilfolge mit Primzahlpotenzen als Teiler mit . In diesem Fall ist.In beiden Fällen ergibt sich ein Widerspruch zur Endlichkeit von . Die Endlichkeit der Gruppe folgt daher mitKorollar 19.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)).Die Zyklizität folgt ausSatz 9.5 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)).



Lemma  

Es sei der imaginär-quadratische ZahlbereichmitDiskriminante.

Dann stimmt die Einheitengruppe mit der Einheitswurzelgruppe überein. Für diese gibt es die folgenden drei Möglichkeiten.

  1. Beiist.
  2. Beiist.
  3. Beiist.

Beweis  

Wegen der expliziten Gestalt der Norm undLemma 10.1ist die Einheitengruppe endlich, stimmt also mit der Einheitswurzelgruppe überein. Es sei der quadratische Zahlbereich zur quadratfreien Zahl.Beiist der Ring der Gaußschen Zahlen und es gibt die vier Einheiten , und es ist nachLemma 9.9.Dies ist der einzige quadratische Zahlbereich mit Diskriminante . Beiliegt der Ring der Eisensteinzahlen vor, sieheBeispiel 7.4.Er ist zugleich der dritte und der sechste Kreisteilungsring und seine Einheitswurzelgruppe ist nachLemma 27.5gleich . Es sei also die Diskriminante . Die Norm von(mit)ist durch gegeben. Wenn das Element zum Ganzheitsring gehört, so sind bei nachSatz 9.8die Koeffizienten ganzzahlig und ausfolgt und ausLemma 10.1folgt.Bei sind ebenfalls nachSatz 9.8die Koeffizienten ganzzahlige Vielfache von und ausfolgt wiederund.


Zu einerkommutativen Gruppe bezeichnen wir die Menge derAutomorphismenmit . Dies ist selbst eine Gruppe mit der Hintereinanderschaltung als Verknüpfung. Für die kommutative Gruppe ist ein Gruppenhomomorphismus in sich durch das Bild des Erzeugers festgelegt, und ein Automorphismus liegt genau dann vor, wenn der Erzeuger auf einen Erzeuger abgebildet wird. Deshalb ist

einer Einheit rechts entspricht der Gruppenhomomorphismus . Für , die multiplikativ geschriebene zyklische Gruppe der Ordnung , gilt entsprechend

und der Einheit entspricht das Potenzieren . Die Beschreibung der Galoisgruppe für Kreisteilungskörper ausSatz 17.11kann man somit als einen Gruppenisomorphismus

verstehen. Zwischen diesen beiden Gruppen besteht nun stets der folgende Zusammenhang.



Lemma  

Es seieineendliche Körpererweiterungmit derGaloisgruppe und es sei

dieEinheitswurzelgruppezu .

Dannoperiert in natürlicher Weise auf , d.h. es gibt einenGruppenhomomorphismus

Wenn eineGaloiserweiterungvorliegt, so ist diese Abbildung surjektiv.

Beweis  

Nach Voraussetzung enthält die -ten Einheitswurzeln und damit ist nachLemma 27.4.Insbesondere ist.Die Abbildung

ist nachSatz 17.11einIsomorphismus.Wenn galoissch ist, so ist nachKorollar 16.7 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))auch galoissch über und die -Automorphismen lassen sich wegenKorollar 15.8 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))nach fortsetzen.


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