Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 19



Kähler-Differentiale

Wir besprechen eine weitere Möglichkeit, Verzweigung zu erfassen, nämlich mit der Hilfe von Kähler-Differentialen. Dies ist ein sehr allgemeines Konzept, das dazu dient, die geometrische Idee eines Tangentialraumes bzw. Tangentialbündels algebraisch zu realisieren. Wir erwähnen hier nur die Grundzüge der Konstruktion und die wesentlichen Eigenschaften ohne Beweis. Beweise finden sich im Anhang.


Definition  

Es sei einkommutativer Ringund eine kommutative-Algebra.Der von allen Symbolen, ,erzeugte-Modul,modulo den Identifizierungen

und

heißt Modul der Kähler-Differentiale von über . Er wird mit

bezeichnet.

Bei dieser Konstruktion startet man also mit dem freien -Modul mit, als Basis und bildet den -Restklassenmodulzu demjenigen Untermodul, der von den Elementen

und

erzeugt wird. Die Abbildung

heißt die universelle Derivation. Man prüft sofort nach, dass es sich um eine-Derivationhandelt.

Grundlage für konkrete Berechnungen bilden die folgenden Lemmata.


Lemma

Es sei einkommutativer RingundderPolynomringin Variablen über .

Dann ist derModul der Kähler-Differentialederfreie-ModulzurBasis

Die universelle Derivation ist bezüglich dieser Basis durch

gegeben.


Lemma

Es sei einkommutativer Ringund es seien und kommutative-Algebrenund

ein -Algebrahomomorphismus.

Dann ist die Sequenz

von -Modulnexakt.

Dabei geht auf und (in )auf (in ).


Lemma

Es sei einkommutativer Ringund es sei eine kommutativeendlich erzeugte-Algebra,die als

gegeben sei.

Dann ist



Korollar  

Es sei ein Körper,ein nichtkonstantesPolynomund

der zugehörige Einsetzungshomomorphismus.

Dann gilt für denModul der Kähler-Differentialedie Beschreibung

Beweis  

NachKorollar 19.4ist(mitund)

Diese Isomorphie ist so zu verstehen, dass die in dem Differential entspricht. Man könnte den Sachverhalt auch als die Gleichung

ausdrücken.

Wenn algebraisch abgeschlossen ist, so istund.Die vorstehende Aussage zeigt somit insbesondere, dass der Modul der Kähler-Differentiale nur lokalisiert in den maximalen Idealen , die den Nullstellen der Ableitung entsprechen, von verschieden ist. Ein entsprechendes Verhalten gilt generell im Fall einer separablen Erweiterung von Dedekindbereichen.



Lemma  

Es seieineendliche ErweiterungvonDedekindbereichenderart, dass die KörpererweiterungderQuotientenkörperseparabelsei. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Es ist.
  2. Es gibt ein ,,mit.
  3. Es gibt ein ,,mit.
  4. Es gibt endlich viele Primidealemit.
  5. Es gibt ein ,,und einmit.Insbesondere ist ein -Modul.

Beweis  

  1. NachLemma Anhang 9.6ist

    Somit folgt die Aussage ausdem Satz vom primitiven Elementin Verbindung mitKorollar 19.4.

  2. Folgt aus (1) aufgrund der endlichen Erzeugtheit von .
  3. Folgt aus (2), man kann für die Norm von nehmen, die ja nachKorollar 10.8(im zahlentheoretischen Kontext)ein Vielfaches von ist.
  4. Folgt aus (2) und daraus, dass es in einem Dedekindbereich nur endlich viele Primideale oberhalb eines Elementes gibt.
  5. Folgt aus (3) und der endlichen Erzeugtheit.


In der Aussage Lemma 19.6  (5)könnte man auf den Exponenten verzichten, wenn man abändert. Aber aus Teil (3) ergibt sich die Aussage mit dem Exponenten. Man denke bei an eine Primzahl aus , man versucht dann, eine annullierende Potenz mit einem möglichst kleinen Exponenten zu finden.



Lemma  

Es seieine quadratfreie Zahlund der zugehörige quadratische Zahlbereich.

Dann ist

beiund

bei.

Beweis  

Im ersten Fall ist nach Satz 9.8und daher nach Korollar 19.4

Im zweiten Fall ist

mit.Somit ist



Beispiel  

Es sei einePrimzahlund der -teKreisteilungsring,also

nachLemma 17.14.NachKorollar 19.4ist der Modul der Kähler-Differentialegleich

Das beschreibende Ideal ist auf den ersten Blick schwer zu durchschauen. Da zum Ideal des Kreisteilungsringes gehört, gehört auch die Ableitung zum beschreibenden Ideal des Kählermoduls. Es ist ja

und somit

Damit ist insbesondere

in , da ja eine Einheit ist. Somit ist der Kählermodul ein -Modul und insbesondere ein -Modul. Daher und wegenLemma Anhang 9.11ist

Da der Faserringüber die Form

besitzt, ist wegeninsgesamt

Dies ist ein freier -Modul mit der(in geschriebenen) Basis(also vom Rang).



Beispiel  

Es sei einePrimzahlund,vergleicheBeispiel 18.11.Der Modul der Kähler-Differentialeist

und das annullierende Ideal ist

Die Normvon deshalb ist die Anzahl der Elemente im Modul der Kähler-Differentiale gleich .



Beispiel  

Es seieine Primzahl undmitder Ganzheitsring, vergleicheSatz 16.1.DerModul der Kähler-Differentialewird als -Modul von und erzeugt. Wir behaupten, dass der Erzeuger überflüssig ist, obwohl er als Algebraerzeuger nicht überflüssig ist. Dabei gilt

Ferner ist unter Verwendung vonAufgabe 16.7

woraus wir

gewinnen. Schließlich ist

woraus wir

gewinnen. Wir können also verschiedene Vielfache von als Vielfache von ausdrücken. Wir betrachten das von den Vorfaktoren erzeugte Ideal in , also

Dieses Ideal enthält und Im Restklassenring wird also zu und wird zu

Somit enthält das Ideal die Zahlen und

Da und teilerfremd ist, enthält es auch die und somit gibt es auch eine Darstellung von als Vielfaches von .




Verzweigung und Differentiale



Lemma  

Es sei einvollkommener Körperund eine lokaleendlichdimensionale-Algebra.

Dann ist genau dann reduziert(also ein Körper)wenn derModul der Kählerdifferentiale gleich ist.

Beweis  

Wenn reduziert ist, so liegt eine endliche Körpererweiterungvor, die wegen der Vollkommenheit des Grundkörpersseparabelist und deshalb nach dem Satz vom primitiven Element von einem Element erzeugt ist, sagen wir.NachLemma Anhang 8.3erzeugen und das Einheitsidealund somit folgt aus,dass sogarist. Somit folgt die Aussage ausKorollar 19.4.

Es sei nun angenommen, dass nicht reduziert ist. Es ist zu zeigen, dass es nichttriviale Kählerdifferentiale gibt. Da eine lokale Algebra ist, ist ein Element darin entweder eine Einheit oder gehört zum maximalen Ideal. Zu einer Einheit, ,ist ein Erweiterungskörper von . Indem wir so den Grundkörper vergrößern, können wir wegenLemma 19.3annehmen, dass nur die Elemente aus Einheiten in sind. Dann ist

und die gehören zum maximalen Ideal. Indem wir die Restklassenabbildung

betrachten undLemma Anhang 9.8heranziehen, können wir davon ausgehen, dass die Situation

vorliegt, wobei mindestens ein Erzeugerist. Mit dem gleichen Lemma können wir modulo gehen und erhalten die Situation . Dafür zeigtKorollar 19.4,dassist.



Satz  

Es sei einZahlbereich.

Dann ist die Ringerweiterungin einem Primidealgenau dannverzweigt,wenn

ist.

Beweis  

Es sei,und wir können wegenLemma Anhang 9.6direkt zu

übergehen. Die Bedingung

ist äquivalent zu

da ja ein endlicher erzeugter -Modul über dem lokalen Ring ist. Wegen der natürlichen Surjektion

ist dies auch äquivalent zu

Nach Lemma Anhang 9.11angewendet auf

ist

und dies ist die Lokalisierung von an . Somit ist die Lokalisierung von an genau dann von verschieden, wenn lokalisiert an von verschieden ist. Die Bedingung an den Modul der Kähler-Differentiale spielt sich somit allein in der speziellen Faser über ab. Nach(dem Beweis zu)Satz 18.10liegt in genau dann Verzweigung vor, wenn nicht reduziert ist. Deshalb folgt die Aussage ausLemma 19.11.


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